Mein Dank an Dr. Michael Kötz, Intendanten des Festivals des deutschen Films

Lieber Herr Kötz,

ich danke Ihnen vielmals dafür, dass Sie mich von meinen Irrtümern befreit haben. Ich dachte tatsächlich, dass der Film „End of Landschaft“ nicht nur scheinbar, sondern wirklich wirkliche Menschen zeigt, dass diese Menschen, Betroffene oder Experten, ihre Wahrheit sagen und über ihre Wirklichkeit sprechen, dass sie als wirkliche Menschen und nicht als künstlerische Elemente wahrgenommen werden wollen und dass der Filmemacher zu einigen von ihnen tatsächlich ein herzliches Verhältnis hat, wie seine Stimme im Off mehrfach behauptet. Ihr Schicksal hat mich in anderer Weise berührt, als wenn es Schauspieler gewesen wären, die eine Rolle spielen. Die Dokumentation dessen, was im Odenwald passiert, habe ich anders wahrgenommen, als wenn ich einen Spielfilm gesehen hätte, der eine solche Geschichte erzählt. Ich unterlag dem Irrtum, dass das Bestreben dieses Films darin bestünde, die Wirklichkeit zur Darstellung zu bringen.

Die in Mecklenburg-Vorpommern regierende SPD/CDU-Koalition setzt eine Fiktion an die Stelle der Realität. Sie behauptet, dass das massenhafte Aufstellen von Windrädern, die oftmals Strom erzeugen, der weder gespeichert noch abgeführt werden kann, das Weltklima rette, dass die Invasion der Windkraftanlagen die Gesundheit der Menschen nicht schädige, ihr Lebensumfeld nicht nachteilig verändere, Immobilien und Tourismusgebiete nicht entwerte, keine schweren und irreversiblen Eingriffe in die Natur vornehme und die LANDSCHAFT nicht elend verENDen lasse. Der Film von Jörg Rehmann erschien vielen von uns als die Restitution einer uns vorenthaltenen Wirklichkeit. Wenn er nun aber freimütig sagt: „Das ist keine Pfeife. Das ist nicht die Realität“, so sind wir enttäuscht, weil er uns Menschen im ländlichen Raum auf uns selbst und in unsere soziale Isolation zurückwirft.

Da ich von der unrichtigen Prämisse ausging, dass der Film die Wirklichkeit zur Darstellung bringen will, deutete ich die Musik als Mittel, um Natur und Naturzerstörung darzustellen, weil ein Film, der den Zuschauer im Dunkeln auf einem Stuhl stillsetzen lässt und nur zwei seiner Sinne direkt anspricht, wenn er einfach nur Bild- und Tonaufnahmen von der Natur präsentierte, nicht die Fülle eines Naturerlebnisses bieten könnte, bei welchem der ganze Mensch von der Natur umschlossen wird und mit ihr interagiert. Mir erschien der Einsatz der Musik daher plausibel und akzeptabel. Andere Zuschauer aber, die wie ich von der falschen Voraussetzung ausgingen, dass der Film im Kontext einer politischen Diskussion über Windkraft argumentiert, empfanden die Musik als rhetorisches Mittel, das der Filmemacher demagogisch einsetzt, indem er, da ihm die rationale Argumentation offenbar nicht mehr ausreicht, mit der Gewalt der Musik auf den Zuschauer losgeht, um ihm seine Perspektive aufzuzwingen.

Die aktuelle Aufführungspraxis (politische Funktionalisierung, improvisierte Kinoräume) trägt sehr dazu bei, dass dieser Film anders verstanden wird, als er von Jörg Rehmann intendiert war. Es wäre schön, wenn der Film in einem großen Berliner Kino liefe.

Ich verbleibe mit herzlichen Grüßen Ihr René Sternke

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