Die praktische Umsetzung des Entwicklungskonzepts für die grenzüberschreitende Metropolregion Stettin

Im Jahre 2012 starteten die für Raumordnung zuständigen Stellen der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie das Raumplanungsbüro der Wojewodschaft Westpommern ein grenzüberschreitendes Projekt zur Erarbeitung eines gemein-samen Entwicklungskonzeptes für die grenzüberschreitende Metropolregion Stettin.

Angesichts des Rückgangs der deutschen Bevölkerung in der Grenzregion und der zunehmenden Ansiedlung junger polnischer Familien auf deutscher Seite ist eine gemeinsame Herangehensweise in vielen Lebensbereichen sinnvoll geworden. Die gemeinsame Absichtserklärung sieht unter anderem den Schutz des naturräumlichen Potentials der Region, die Integration der Siedlungsstruktur und die Verbesserung der Lebensqualität der im Grenzraum lebenden deutschen und polnischen Bürger vor.

In der Praxis sieht die gemeinsame Raumentwicklung folgendermaßen aus: Die Regionalplanung Vorpommern konzentriert Windeignungsgebiete im südlichen Teil des Amtsbezirks Löcknitz-Penkun entlang der deutsch-polnischen Grenze und zerstört auf diese Weise kostbaren Natur-, Siedlungs- und Erholungsraum auf beiden Seiten der Grenze. Geplante attraktive Wohnanlagen in der Gemeinde Dobra oder der Gemeinde Kołbaskowo werden bereits vor ihrer Errichtung zu Fehlinvestitionen, weil polnische Bürger anderer Ansicht sind als die Schweriner Regierung, die meint, dass Windfelder mit Schall, Infraschall, Schlagschatten und trister Monotonie die Gesundheit und die Lebensqualität von Anwohnern keineswegs beeinträchtigen. Auf das Landschaftsbild, auf Friedhöfe oder europäische Schutzgebiete wird keine Rücksicht genommen. Das führte schließlich dazu, dass der Marschall der Wojewodschaft Westpommern sowie die Gemeinden Dobra und Kołbaskowo gegen die Planungen des Regionalverbandes Vorpommern, mit dem sie doch zusammenarbeiten sollen, protestierten.

Die Antwort des Planungsverbandes (Windeignungsgebiet 46/2015 Ramin: Abschnitt B 1.46) ist glasklar und knallhart: „Wird nicht gefolgt. Der Regionale Planungsverband nimmt die Hinweise zur Kenntnis, diese führen allerdings nicht zu einer Planänderung. Anlässlich einer erneuten Überprüfung seitens des Regionalen Planungsverbandes hat sich ergeben, dass europäische Schutzgebiete sowie die dazu einzuhaltenden Abstände bei der Ausweisung bereits berücksichtigt wurden. Die ergänzende Prüfung hat keinerlei Beeinträchtigung polnischer Belange, sowiet [sic] bekannt, ergeben, sodass der Regionale Planungsverband an einer Ausweisung der genannten Gebiete festhält. Lediglich die Fläche des WEG 51/2015 wird geringfügig in nördlicher sowie südlicher Richtung verkleinert. Dies erfolgt aufgrund der Vermeidung von Umfassungen einzelner Ortsteile und nicht wegen einer Beeinträchtigung auf polnischer Seite.“

Bei der Erörterung der ästhetischen Qualität des Eingriffs in die Landschaft gibt der Planungsverband die Verhässlichung unterschwellig zu: „Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass das jeweilige Vorhaben gegenüber dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird (vgl. VGH München, U. v. 01.10.2007 – 15 B 06.2356 -, juris Rn. 20; bestätigt durch BVerwG, B. v. 08.05.2008 – 4 B 28/08 -, juris). Allerdings ist eine Verunstaltung des Landschaftsbildes wegen der erhöhten Durchsetzungsfähigkeit privilegierter Vorhaben nur im Ausnahmefall anzunehmen. Es kann eine unzulässige Verunstaltung des Landschaftsbildes nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB nur dann angenommen werden, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt. Dieser Frage kann nicht abschließend auf der Ebene der Raumordnung nachgegangen werden. Vielmehr bedarf die Klärung einer Einzelfallbetrachtung im jeweiligen Genehmigungsverfahren. Der Planungsverband muss diesem Aspekt daher – auch mangels konkreter Hinweise aus der Stellungnahme – nicht weiter nachgehen.“

Bezüglich der für die polnischen Sensibelchen so wichtigen Totenruhe will der kernige deutsche Planungsverband den polnischen Toten nicht weniger zumuten als den lebendigen Deutschen: „Hinsichtlich einer möglichen Störung der Totenruhe ist zu sagen, dass dem Planungsverband der sensible Umgang mit der Trauer durchaus bewusst ist, aber durch den Betrieb von zukünftigen Windenergieanlagen keinerlei derzeitig feststellbare Unzumutbarkeiten vorliegen.“

Auch mit dem in der Absichtserklärung heraufbeschworenen naturräumlichen Potential in der Grenzregion geht der Planungsverband Vorpommern rigoros um und verteidigt gegenüber dem Marschall der Wojewodschaft Westpommern die Eignung der durch die Europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützten Zonen als Windeignungsgebiete: „FFH-Gebiete als Bestandteil der Vorbehaltsgebiete Naturschutz und Landschaftspflege sind ebenfalls keine Gebiete des Planungsraums, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung ‚schlechthin‘ ungeeignet sind.“

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