Sehr geehrter Herr Haldenwang,
dank Ihrem Scharfsinn und Ihrer Aufmerksamkeit haben Sie schon zu Beginn des mit Ihnen im Morgenmagazin geführten Interviews bemerkt, dass der Journalist Michael Strempel dieses Gespräch dergestalt geführt hat, dass Sie in Ihrer Eigenschaft als Verfassungsschutzchef dahin geführt werden sollen, Herrn Strempel missfällige politische Meinungen negativ zu bewerten. Sie weisen ihn gleich eingangs darauf hin, dass es nicht Ihre Aufgabe als Verfassungsschutzchef ist, politische Meinungen zu bewerten. Michael Strempel, dessen Demokratieverständnis an dasjenige von Karl-Eduard von Schnitzler („Sudelede“) erinnert, führte das Gespräch jedoch unter dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ fort und erreichte es, dass Sie bestimmte Meinungen, die er und Sie persönlich nicht teilen, in diesem Gespräch in Ihrer offiziellen Funktion verurteilt haben. So haben Sie beispielsweise die Meinung, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine aus seinen Sicherheitsinteressen heraus führe und nicht allein die Schuld an Kriegsausbruch trage, die fälscherlichweise von Strempel und dann auch von Ihnen als „russisches Narrativ“ bezeichnet wurde, verurteilt. Der US-amerikanische Politikberater George Friedman erörterte jedoch 2015 in seinem bei The Chicago Councel on Global Affairs gehaltenen Vortrag „Europe: Destined for conflict?“, den man mühelos im Netz findet, dass Russland zu seiner Sicherheit eine entmilitarisierte und neutrale Ukraine benötige und dass die USA die Ukraine in Vorbereitung auf einen künftigen Krieg aufrüsteten, um Russland etwas wehzutun. Inzwischen haben auch Angela Merkel und Michel Hollande erklärt, dass das Minsker Abkommen nicht unterzeichnet worden sei, um den Frieden in Europa zu sichern, sondern um der Ukraine Zeit zur Kriegsvorbereitung zu geben. Es handelt sich bei dieser Sicht auf die Dinge nicht um ein genuin russisches Narrativ. Noch jetzt sind von Seiten des Westens keinerlei Bemühungen zu erkennen, dem Blutvergießen und der Umweltzerstörung ein Ende zu bereiten. Der Krieg wird offenbar als ein Gottesgericht angesehen, bei welchem notwendigerweise nicht etwa der Stärkere und Brutalere, sondern der moralisch Überlegene siegen wird. In der Zwischenzeit pfeift man auf die Toten. Ich sehe nicht, dass die Verurteilung der Politik der Bundesregierung, die diesen Krieg zu einem Konjunkturprogramm für die Rüstungsindustrie gemacht hat, im Widerspruch zum Grundgesetz und zu unserer freiheitlich-rechtlichen Ordnung stünde. Im Gegenteil: Unsere freiheitliche Ordnung gestattet uns, unsere verantwortungslos handelnde Regierung, die Deutschland, ohne offen die Verantwortung dafür zu übernehmen, langsam und möglichst unmerklich in eine militärische Auseinandersetzung hineingleiten lässt, offen zu kritisieren. Wie immer man darüber denkt, so muss die freie Meinungsäußerung darüber gewährleistet bleiben, solange unsere demokratische dabei Ordnung nicht in Frage gestellt wird. Ihr Gespräch mit Herrn Strempel hat einen sehr fatalen Eindruck auf mich gemacht, weil bei mir der Eindruck entstanden ist, dass diejenigen Bürger, die eine andere Meinung als Herr Strempel vertreten, eingeschüchtert werden sollen, indem sie glauben sollen, dass sie nunmehr Gefahr laufen, ins Blickfeld des Verfassungsschutzes zu geraten. Solche Journalisten wie Michael Strempel vergiften das soziale Klima, indem sie Andersdenkende anschwärzen und als Verfassungsfeinde hinzustellen bemüht sind. Solche Journalisten, die wir Bürger zu unserer Demütigung zu finanzieren gezwungen sind, schaffen eine bedrückende Atmosphäre, in der mehr und mehr vor allem ängstlichere und verunsicherbare Bürger das Gefühl bekommen, ihre Meinung nicht mehr offen und unbefangen äußern zu dürfen. Solche Journalisten, von denen wir nicht wissen, in wessen Auftrag und Interesse sie handeln, verstoßen gegen Art. 5 GG und sind die wahren Feinde unserer Demokratie. Nicht Wagenknecht oder die AfD, sondern Michael Strempel ist ein Fall für den Verfassungsschutz.
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